Besser geht immer – das hat auch Lehmannaudio gedacht und seinem Referenz-Headphone-Amp ein Upgrade gegönnt. Die Klangveredlung des neuen Linear II gelingt durch noch hochwertigere Bauteile, aber ebenso durch den Einsatz innovativer Material-Technologien – sogar bei den Füßen.
Nobler Auftritt: Der Lehmannaudio Linear II präsentiert sich hier ganz in Schwarz. Alternativ ist der Verstärker mit einer Front in fein gebürstetem Silber oder hochglänzendem Chrom zu haben.
Linear – das ist ein cleverer Name für einen Verstärker: Wie könnte man besser ausdrücken, dass ein Amp seine Arbeit über den ganzen Pegelbereich hinweg ohne Verfälschungen verrichtet? Der Name ist aber auch ein Versprechen – und das hat Norbert Lehmann bislang erfolgreich eingelöst. Die Karriere des Linear verläuft nämlich exponential: Der 2004 eingeführte Linear ist der erste Kopfhörerverstärker in Lehmannaudios Produktportfolio, als Referenz hält der Headphone-Amp aber schnell Einzug beim WDR Köln, beim Institut für Rundfunktechnik, beim audiophilen Klassik-Label Tacet oder beim bestens beleumundeten Mastering-Studio „The Masters“. Auch der Kopfhörerhersteller Sennheiser setzt prompt auf den Linear bei der Messe-Präsentation seiner Modelle. Nun hat Lehmannaudio sein Erfolgsmodell überarbeitet und zum Linear II erhoben – und ihn schauen wir uns nun näher an.
Mit seiner schlanken und langgestreckten Formgebung bietet der Linear II ein dezent-elegantes Design. Hinzu kommt die makellosen Verarbeitung: Die massive Frontplatte steht einem soliden Metallblech-Gehäuse vor, Schrauben und Gehäuse schließen mit perfekter Bündigkeit ab.
Kompakter Auftritt
Rein äußerlich ist sich der Linear treu geblieben: Der Verstärker hat seinen kompakten Charakter und seine langgestreckte Formgebung bewahrt, das Design ist nach wie vor schnörkellos. Dem 5 mal 11 mal 28 Zentimeter messenden Korpus aus solidem, schwarz lackiertem Metallblech steht eine zu allen Seiten leicht überstehende, massive Front aus gebürstetem Aluminium vor. Unser Modell ist schwarz eloxiert, alternativ ist der Linear II mit silberner Stirnseite erhältlich oder, gegen Aufpreis, mit verchromter Front. Diese Front zieren nun vier Elemente. Links leuchtet eine blaue Betriebs-LED, sobald der Linear II eingeschaltet ist. Rechts lädt ein markanter metallener Drehknopf zur Veränderung der Lautstärke ein. Das Drehen ist ein echter haptischer Genuss, denn das Volumenstellrad hat eine überaus sahnig-geschmeidige Gängigkeit. Kein Wunder: Dahinter sitzt ein Premium-Potenziometer des japanischen Top-Herstellers Alps. Mit diesem Poti regelt man die Lautstärke – und zwar für gleich zwei Kopfhörer-Ausgänge, die der Verstärker bietet. Auch das hat bei Lehmannaudio Tradition.
Headphone-Amp und Vorverstärker
Mit dem Linear II können also zwei Zuhörer gleichzeitig Musik genießen, die Ausgänge arbeiten nämlich parallel. Prima! Die beiden 6,35-Millimeter Stereo-Klinkenbuchsen sind kontaktvergoldete Modelle des amtlichen Steckverbinder-Anbieters Neutrik. Auf der Rückseite des Linear II entdecken wir neben der Netzbuchse und dem Netzschalter ebenfalls Qualitätsanschlüsse: zwei vergoldete Cinchbuchsen-Paare mit Teflonisolation ermöglichen am Line-Eingang den Anschluss eines Zuspielers und am Pre Out den Anschluss einer Endstufe, eines Receivers oder eines Aktivlautsprechers. Damit ermöglicht der Linear II neben der dualen Nutzung der beiden Kopfhörer-Ausgänge auch die doppelte Verwendung als Kopfhörerverstärker und Stereo-Vorstufe. In Kombination mit Aktivlautsprechern erweist sich der Linear II als Platzsparer, weil man keinen weiteren Verstärker mehr benötigt.
Mit den bodenseitigen DIP-Schaltern stellt man getrennt für den linken und rechten Kanal die Verstärkung ein. So lässt sich der Linear II an alle Kopfhörer-Typen und verschiedenste Modelle optimal anpassen.
Gain-Anpassung für alle Kopfhörer-Typen
Bleiben wir bei der Kernkompetenz, der Aufbereitung der Musik für einen oder zwei angeschlossene Kopfhörer. Die Bandbreite an Kopfhörer-Arten ist groß: Sie reicht von elektrodynamischen Modellen über Magnetostaten und Balanced-Armature-Schallwandler bis hin zum Air Motion Transformer (AMT), es gibt wirkungsgradstarke und -schwache Kopfhörer sowie nieder- und hochohmige Typen. Um dieser Vielfalt meistern zu können, bietet der Linear II die Möglichkeit, die Maximalverstärkung zu verändern. Dafür besitzt er auf der Unterseite zwei DIP-Schalter, je einen für den linken und rechten Kanal. Über diese sogenannten Mäuseklaviere kann durch verschiedene Schalterstellungen der Gain auf +10 Dezibel, +18 Dezibel oder +20 Dezibel gesetzt werden. So liefert der Linear II für alle Kopfhörertypen eine kraftvolle Signalspeisung. Voraussetzung dafür ist natürlich eine potente Stromversorgung. Die sitzt im hinteren Bereich des Linear II – in Form eines überdimensionierten Netzteils, dessen Herzstück ein üppiger Ringkerntransformator ist. Diese hohe Energie-Lieferfähigkeit ist die Basis für eine ruhige, entspannte Wiedergabe.
Der Linear II bietet mit seinen beiden parallelen Ausgängen die Möglichkeit, zwei Kopfhörer zugleich zu betreiben. Nutzt man – wie hier – den linken Ausgang, ist der rückseitige Line Out stummgeschaltet.
Class A-Schaltung mit Klasse-Technik
Damit dies auch mit größter Akkuratesse geschieht, setzt Lehmann auf eine potente Class A-Ausgangsstufe. Class A gilt als die sauberste, überaus verzerrungsarme Verstärkungsart, weil die verstärkenden Elemente – hier Transistoren – allein in ihrem linearen Arbeitsbereich operieren. Der Class A-Verstärker des Linear II ist diskret aufgebaut, also mit einzelnen Bauteilen statt integrierter Schaltung. Auch dies verspricht eine höhere Klangqualität. Zu ihrer Optimierung hat Lehmannaudio dem Linear ein Qualitäts-Upgrade gegönnt: Er ist nun mit noch besseren Bauteilen wie etwa den verlustarmen Präzisions-MKP-Folienkondensatoren bestückt, die bereits beim Schwestermodell Linear SE Standard sind. Zudem kommt eine neue Materialtechnologie zum Zuge: Die Platine, auf der alle Bauteile eingelötet sind, ist mit besonders niederimpedantem, also auf geringsten Widerstand hin optimiertem Low-Z-Kupfer realisiert. Die Platinenfertigung ist dadurch zehnfach teurer, dafür attestiert Lehmannaudio als Fortschritt eine Steigerung der Dynamik, der Impulswiedergabe und der räumliche Darstellung. Auch bei der Kanaltrennung hat der Linear II gegenüber seinem Vorgänger zugelegt.
Performance-Upgrade durch Absorber-Füße
Die zweite Material-Novität betrifft die bodenseitige Ankopplung des Linear II: Der Verstärker steht auf drei 3S-Gerätefüßen. „3S“ steht für „String Suspension System“. Dies bezeichnet eine spezielle Seiltechnik, mit der ein besonderes Gewebe hergestellt wird. Es bewirkt in Verbindung mit ergänzenden Absorptionsmaterialien eine exzellente Schwingungsdämpfung. All die feinen Vibrationen und Resonanzen, die der Linear II wie jede elektrisch betriebene Komponente erzeugt, werden in Wärme umgewandelt und damit klangunschädlich gemacht. Mechanische Vibrationen sind in der HiFi-Branche mittlerweile als eine Ursache für die Verunklarung des Klangs identifiziert. Ohne diese unerwünschten Schwingungen legt die Wiedergabe in eigentlich allen Belangen zu, also bei Transparenz und Dynamik, Plastizität und Räumlichkeit, aber auch bei der Präzision des Basses. Von den Meriten dieser Materialtechnologie, die Lehmannaudio bei seinen Top-Komponenten einsetzt, profitiert nun also auch der Linear II.
Der Pegelsteller ist aufgrund seiner angenehmen Größe und seiner perfekten Gängigkeit ein haptisches Gedicht. Der Metallknopf für die Lautstärkeregelung besitzt eine kleine Vertiefung, sie bietet Orientierung bei der Einstellung des Pegels.
Der Lehmannaudio Linear II in der Praxis
Wir haben für den Test den Linear II mit drei völlig verschiedenartigen Kopfhörern ausprobiert: Zum einen mit dem offenen und ohrumschließenden Focal Utopia, der mit einem Beryllium-Breitbandchassis elektrodynamisch schallwandelt und eine Impedanz von 80 Ohm aufweist. Zum zweiten mit dem geschlossenen und ohrumschließenden Clark Audio Aeon2 Closed, der als Magnetostat mit einer Impedanz von 13 Ohm aufwartet. Zum dritten mit dem offenen und ohrumschließenden HEDD HEDDphone, der mit einem Air Motion Transformer als Vollbereichs-Chassis agiert und mit einer Impedanz von 42 Ohm ausgewiesen ist. Dieser HEDDphone hat einen geringen Wirkungsgrad, er verlangt einen kräftigen Verstärker – und da ist er beim Linear II genau richtig: Wir könnten eigentlich ohne Gain-Anhebung auskommen, weil wir auch so bereits eine ziemlich satt Lautstärke erzielen. Das Volumenpoti ist aber doch nahe dem Rechtsanschlag. Für mehr Reserven erhöhen wir deshalb den Gain um zehn Dezibel – und schon können wir das Lautstärkerad deutlich runterfahren.
Entspannte Weiträumigkeit
Beim Betätigen des Volumenreglers fällt uns auf, mit welch wunderbarer Gleichmäßigkeit sich die Lautstärke steigert. Sie bleibt dabei klanglich absolut konstant, egal, ob wir im unteren oder oberen Regelbereich agieren. Der Linear II macht seinem Namen also alle Ehre. Die Leistungsfähigkeit des Verstärkers und die Reserven der üppigen Stromversorgung bewirken zudem eine ungemein ruhige, entspannte Wiedergabe – auch mit dem Focal Utopia, der ein Meister darin ist, kleinste Details sehr deutlich herauszuarbeiten. Hinzu kommt eine herrlich klare Wiedergabe mit einer tollen Plastizität und einer wunderbar großzügigen Räumlichkeit. Das merken wir im Vergleich mit dem kleinen Lehmannaudio Drachenfels: Beim Linear II ist die Bühne deutlich größer und tiefer, die Abbildung signifikant realer und griffiger. Das fällt uns gleich mit dem Beginn unseres ersten Test-Track auf: Wir wählen „Caverna Magica“ des New Age-Musikers und Harfen-Virtuosen Andreas Vollenweider – und dieser Track startet mit einem aufschlussreichen Hörspiel.
Vorverstärker-Funktion: Neben dem Stereo-Eingang (linkes Buchsenpaar) bietet der Linear II auch einen Stereo Line Out (rechtes Buchsenpaar). So kann der Preamp direkt an eine Endstufe oder an Aktivboxen angeschlossen werden.
Sauber und neutral
Wir begleiten als unsichtbare Dritte einen Mann und eine Frau, die den Eingang einer geheimnisvollen Höhle entdecken und sie erst neugierig und dann erstaunt betreten – wie wir, denn es ist grandios, mit welcher Intensität wir mit dem Einstieg in die Höhle auch die Veränderung des Ambientes wahrnehmen! Der Rundgang in der Kaverne samt links und rechts von uns niederfallenden Wassertropfen ist ebenfalls ein akustisches Spektakel. Dieses Spektakel fällt mit den verschiedenen Kopfhörern verschieden aus: Der Focal Utopia heftet uns direkt an die Fersen des Paares, der Aeon2 Closed weist uns die Rolle als nüchterner, etwas Abstand wahrender Beobachter zu, der HEDDphone hingegen rückt die Schallereignisse weiter von uns entfernt in den hörbaren Raum statt sie uns direkt vor den Kopf zu setzen. Jede Wiedergabe hat ihren Reiz – und das Schöne ist: Die Unterschiede der verschiedenen Schallwandler sind derart deutlich zu hören, weil der Lehmannaudio so sauber und neutral verstärkt.
Monitor-Qualitäten
Diese Neutralität hat Monitor-Qualitäten, wie sie auch im Studio-Bereich gefragt sind. Sie ermöglich ein langes, stressfreies Hören. Das gilt dank der tollen Transparenz selbst für reichhaltig instrumentierte und vielschichtig arrangierte Stücke wie „Caverna Magica“: Zu Vollenweiders Harfe stoßen mit Flöte, Mundharmonika, Oud, Guzheng, E-Gitarre, Keyboards, Percussion und Schlagzeug zahlreiche Instrumente sowie Gesang. Daraus hat Vollenweider einen dichten Klangteppich gewoben. Trotzdem nehmen wir mit Leichtigkeit jedes Instrument mit seinem spezifischen Klang, aber auch seinen eigenen Spielgeräuschen wahr. So stellt sich das „wie echt“-Gefühl ein. Das stressfreie Hören ermöglicht der Linear II ebenso bei hochdynamischer Musik wie „Outbreak“ von Dennis Chambers: Der Schlagzeug-Großmeister liefert bei dieser Fusion-Nummer ein megakomplexes, aber stets groovendes Drumming-Feuerwerk. Auch seine kongenialen Mitmusiker an Bass, Keyboard und Saxophon leben ihre Virtuosität aus. Das kann, je nach Abhör-Equipment, anstrengend bis ermüdend sein. Hier jedoch ist „Outbreak“ ein Hochgenuss, wir wippen schon nach wenigen Takten unwillkürlich mit dem Kopf.
Der neue Linear II ist standardmäßig mit den frisch entwickelten 3S-Gerätefüßen ausgestattet, die eine effektive Vibrationsdämpfung bewirken und somit mechanische Schwingungen absorbieren. Zudem lassen sie den Linerar II optisch scheinbar schweben.
Bestens zu Fuß …
Was bewirken nun die Füße? Das lässt sich dank der kompakten Maße und des geringen Gewichts des Verstärkers ziemlich leicht überprüfen: Wir drehen den Linear II einfach um. Er liegt nun unmittelbar mit dem bloßen Gehäuse auf dem Rack. So begeben wir uns jetzt in den Konzertsaal: Im Nationaltheater München führt das Bayerische Staatsorchester unter Zubin Mehta das Vorspiel der „Walküre“ von Richard Wagner auf. Dieses Orchestervorspiel vermittelt von Beginn an eine spannungsgeladene, bedrohliche Atmosphäre: Geigen und Bratschen intonieren ein nervöses Tremolo, das mit schnell an- und abschwellender Lautstärke für Unruhe sorgt, die Celli und Bässe spielen ein sich wiederholendes Motiv in düsterem Moll und mit stechenden, abgehackten Staccato-Tönen. Klare Sache: Hier dräut Unheil. Dank der exzellente Dynamik und der großen Bühne, die der Linear II dem Orchester bereitet, ist das ein herrlich dreidimensionales, plastisches Erlebnis. Bereits jetzt wähnen wir uns auf den besten Plätzen des Nationaltheaters.
… für mehr Emotionen
Nun stellen wir den Linear II wieder richtig herum und damit auf seine Füße – und das hat Folgen: Beim Tremolo der Violinen und Violen ist der Bogenstrich präziser zu hören. Dadurch vermittelt dieses konzertierte Zittern eine noch größere Nervosität. Das An- und Abschwellen des Ton gewinnt nun an Eindringlichkeit und erregt so auch das gewollte Unbehagen. Die Staccati der Celli und Kontrabässe sind jetzt akzentuierter und haben eine größere Grimmigkeit, die tiefen Töne besitzen zudem mehr Definition. Gerade bei den später auftauchenden schnelleren Tonfolgen ist statt des zuvor etwas unklaren Grummelns nun deutlich die Intervallfolge zu hören. Das alles steigert die Intensität der bedrohlichen Atmosphäre, die Wagner in diese Walküre-Einleitung einkomponiert hat und die das Orchester in dieser tollen Einspielung vermittelt. Das wiederum sorgt für mehr Emotionen. Die Musik berührt uns mehr und steigert unser Erleben: Das dräuende Unheil der Götterdämmerung können wir jetzt geradezu spüren.
Platzsparer: Der Lehmannaudio Linear II ist zierlich – gerade gegenüber dem hier angeschlossenen HEDD HEDDphone.
Fazit
Besser geht immer – das beweist Lehmannaudio mit dem Upgrade seines Referenz-Kopfhörerverstärkers: Mit noch hochwertigeren Bauteilen, neuer Platinen-Technologie und den vibrationsabsorbierenden 3S-Gerätefüßen liefert der Lehmannaudio Linear II eine Wiedergabe, die durch superbe Klarheit und Auflösung glänzt, eine überaus räumliche Abbildung und eine regelrecht griffige plastische Darstellung bietet. Dabei bleibt der im Class-A-Betrieb agierende Verstärker neutral und sorgt für eine ruhige und entspannte Wiedergabe. Dazu trägt auch seine üppige, reservenreiche Stromversorgung bei. Mit der mehrstufigen Gain-Anpassung treibt er dann selbst fordernde Kopfhörer locker an. Diesen Hochgenuss bietet er über gleich zwei Ausgänge sogar einem Kopfhörer-Duo an. Aufgrund seines Pre Outs ist er sogar als Vorstufe einsetzbar. So glänzt der Linear II als kompakte Referenz.